Am Abend unserer Ankunft in Santiago (2.7.21) nehmen wir den Bus nach Finisterre, wo wir uns für zwei Nächte eingemietet haben. Nebel liegt am Morgen noch über der Praia Langosteira. Die Ebbe hat den langen Strand frei gegeben und Muscheln glitzern auf dem nassen Sand. Es ist genau der richtige Zeitpunkt zum Muschelsammeln. Kleine Schnecken bilden den Anfang, der nasse Sand rieselt heraus, Jakobsmuscheln, Perlmuttschalen, Fragmente größerer Muscheln, deren Ränder das Meer bereits glatt geschliffen hat. An diesem Strand bin ich ganz bei mir, in mich versunken, einfach dankbar nochmals hier sein zu dürfen. Ganz im Moment, Schritt für Schritt, nur für mich. Neben mir rauscht die Ewigkeit des Meeres auf den Sand, traumhaft.
Auf der anderen Seite des Hügels Richtung Westen liegt die Praia da Fora, der äußere Strand. Der Dünen-Pfad mit den blau-silbrigen Disteln ist fast zugewachsen. Größere Wellen schlagen geräuschvoll auf den steilen Strand, es sind fast keine Muscheln zu sehen, nur kleine Tigerhütchen, wie ich sie genannt habe. Durch den tiefen Sand stapfen wir hinauf zum Holzsteg und zur Aussichtsstelle, von der aus ich 2013 das erste Mal vom Ende der Welt nach Westen geblickt habe, für mich ein berührender Moment.
Die Nachmittagsexkursion führt steil den Hügel hinauf durch einen lichten Kiefernwald zur Ermita de San Guillermo. Auch dieser Pfad ist recht zugewachsen und hat wohl noch wenige Besucher gesehen in diesem Jahr. Oben auf der Klippe hat der Wind einen großen Felsen zugeschliffen, zu dessen Füssen die halbhohen überwachsenen Grundmauern der Ruine ruhen. Wir nehmen Platz und genießen die meditative Stille des alten Kultplatzes.
Am Ende der Welt
Dem Leuchtturm von Finisterre nähern wir uns von oben. Vorne neben der Mauer spielt ein Mann ganz versunken auf seiner Gaita, dem galicischen Dudelsack. Der Wind pfeift heftig um das Fundament des Turms. Doch darunter auf den Felsen lässt es sich aushalten. Das Ende der Welt, werde ich es wohl noch einmal sehen? Lieber genieße ich es jetzt hier mit einer Freundin zu sitzen, erfreue mich an den kleinen Spatzen, die nach Brotkrumen suchen, mein Blick verfolgt die Möwen im Wind und nimmt das glitzernde Meer in der Abendsonne in mein Herz auf. Danke!
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10 Tage gemeinsam auf dem Jakobsweg von 26.6.-5.7.2021
Im vergangenen Jahr konnte ich diese Reise nur fiktiv beschreiben. Nun waren meine Freundin und ich endlich persönlich auf dem Camino Ingles unterwegs. In der neuen Wirklichkeit, die der alten zwar ähnelt, sich aber mit den Masken und Hygieneregeln wegen Covid19 anders anfühlt.
Erst einen Monat vor dem Abflug haben wir unsere Gutscheine für den neuen Flug umgewandelt. Einreiseformular und Impfausweis, genaue Kontrollen am Flughafen und viel weniger Betrieb als sonst. Es herrscht Maskenpflicht in Flughafen und Flugzeug und im gesamten öffentlichen Raum in Spanien. Dort haben sich erstaunlich viele Leute daran gehalten. Beim Pilgern in der freien Natur ging es dann auch ohne Maske…
Die erste Nacht verbringen wir in Santiago de Compostela, weil die Ankunft des Fluges relativ spät ist. Am nächsten Morgen gehen wir hinunter zum Bahnhof, neben dem der neue Busbahnhof gelegen ist, und nehmen den Bus nach Ferrol. Es ist kühl für Ende Juni, aber die Sonne scheint. Das kleine Städtchen blinzelt schläfrig nach der regnerischen Nacht. Am Hafen zeigt der erste Meilenstein, wo der Camino Ingles beginnt. Nach einem zweiten Frühstück wenden wir uns nach Osten. Die Puerta de Dique habe ich schon gezeichnet. Den Turm und Eingang zum Marinehafen in Natura zu sehen, kommt mir in diesem Augenblick eigenartig vor.
In Neda, am Ende der Bucht von Ferrol, wartet eine Bank auf Besucher. Gerade kommt langsam die Flut herein und füllt den breiten offenen Sandkanal. Zeit zu beobachten wie die Vögel im Schlick picken und wie eine Sandinsel langsam in den silbrigen kleinen Wellen versinkt. Wir brauchen durchaus die Jacken gegen den Wind, aber es ist wunderbar, zuzuschauen wie das wechselnde Licht die Landschaft verändert. Schließlich schlendern wir zur hintersten Brücke, zu einer alten Mühle an der Flussmündung. Durch die Gezeiten sind in Jahrtausenden die breiten Rias ausgeschwemmt worden, wie die langen Einschnitte ins Land hier heißen.
Blick über die Ria de Ferrol
Draußen ist es morgens grau, das Wasser steht noch in der Bucht. Es tröpfelt, beginnt stärker zu regnen, aber wir kennen den Weg von gestern Abend. Also Poncho drüber und guten Mutes los. Über Holzstege geht es am Ufer entlang. Später bergauf und auf halber Höhe weiter. Danach öffnen sich die Wolken und geben einen herrlichen Blick über die Bucht bis Ferrol frei. Palmen und Hortensien, Bougainvillen und Mombrezien zieren die Gärten und Wegränder. Fene und Pereiro, Regen und Sonne, Auf und Ab. Eine lange steinerne Brücke mit Bögen führt über eine weitere Ria nach Pontedeume. Weiter geht es hinauf mit wunderbarem Ausblick bis zur Pension.
Die lange mittelalterliche Brücke von Pontedeume bei Ebbe
Heute ist laufen, laufen und laufen angesagt. Der Jakobsweg führt über wunderschöne Waldwege, gesäumt von dichtbelaubten Bäume, Steineichen, Esskastanien, Platanen, Akazien. Nach der Autobahn geht es richtig steil bergauf und wieder steil bergab nach Miño, Zeit für Tortilla und eine Pause. Bei der Kirche San Martin de Tiobre pausieren wir noch einmal und weiter gehts bergab nach Betanzos, wir queren Brücke und Stadttor. Betanzos selbst ist auch hügelig. Vom Hauptplatz müssen wir rauf zum Hotel. Auf der Suche nach Essen durch eine Stadt, die um 17 Uhr noch der Siesta frönt, landen wir am Hauptplatz. Glück gehabt, es gibt Tapas in der Bar. Hühnchen, Pommes und Salat, dann noch Pulpo und dazu jede 2 Clara con limon (Radler). Ohne das Nachtleben weiter zu erkunden, landen wir bald in den Betten.
Eukalyptuswälder säumen die kleinen Felder und Wege. Eukalyptus in jeder Form begleitet unseren Weg. Ganz jung mit runden blau-silbrigen Blättern und kleinen fusseligen Blüten. Der schnell wachsende Eukalyptus streckt seine Blätter dann zu Lanzen, später ist die fasrige und fransige Rinde ein Hingucker. Wir finden die kantigen Kapseln und trockenen Blätter und fotografieren sie. Am Lago de Beche, einem kleinen Stausee, gönnen wir uns ein Eis und dann unser Picknick. Weiter bergauf, nichts Neues. Es zieht sich bis wir ganz oben und schließlich hinter Meson do Vento im Hotel sind. Trotz Müdigkeit folgt noch eine Abendrunde zur Kirche von Leira, schöne Atmosphäre auf dem Friedhof, einige Gräber sind mit Muscheln verziert.
Morgennebel und Mittagshitze
Nebelig ist es morgens bei 12 Grad. Kunstvolle Spinnweben hängen taubedeckt an den Zäunen. Nur mit Fleecejacke sind wir gerade richtig angezogen. Viele kürzere Waldstücke mit Zauberwald, Steineichen mit Efeu bewachsen und Erdwälle lassen an die Geschichten von Mittelerde und den Herrn der Ringe denken. Mittags wird es immer heißer und der Weg sehr sonnig. Der Park vor Sigüeiro rettet uns. Einfach im Schatten auf einer Bank sitzen und die letzten Tropfen aus den Flaschen saugen. Kurz darauf im kühlen Supermarkt kaufen wir Obst, Joghurt und Gebäck sowie Wasser. In unserer Pension wartet ein wunderschön dekoriertes Zimmer mit einem entzückenden Bad. Nach dem Duschen können wir eine Ladung Wäsche waschen und anschließend trocknen.
Auf zum Ziel unseres Pilgerweges! Heute spüre ich große Dankbarkeit und Freude über diese Reise, für mein Hier-Sein. Mehr brauche ich nicht. Ab und zu sprüht ein wenig Regen, Poncho an und aus, 3-4x. Wir laufen nach Santiago de Compostela ein, ein letzter Stempel in San Caetano. Auf der Praza do Obradoiro ist der Weg beendet. Da heute gerade niemand an der Heiligen Pforte Schlange steht, können wir abwechselnd unseren persönlichen Abschluss in der Kathedrale begehen. Ich „BIN auf dem Camino Ingles“ gewesen.
Ankunft in Santiago de Compostela am Freitag, 2. August 2021
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Einen Besuch in der Galerie im Rathaus mit Kreativität verknüpfen… Dies wird am Freitag, 19.3. und am Samstag, 20.3.21 jeweils von 16-18 Uhr kostenlos angeboten. Jeweils 5 Personen lässt Bürgermeister Georg Nagler (nur nach Anmeldung), mit FFP2-Maske und entsprechenden Hygienemaßnahmen ins Rathaus. Anhand der ausgestellten Bilder im Treppenhaus spricht Sabine Penzenstadler über Entstehung, Bildaufbau und Komposition. Jeder Teilnehmer kann, muss aber nicht, selbst eine Zeichnung mit verschiedenen Bleistiften und Tuschestiften probieren. Material wird zur Verfügung gestellt. Mit genügend Abstand ist dieser Austausch nach den derzeitigen Bestimmungen und außerhalb der Geschäftszeiten möglich.
Anmeldung bis Donnerstag 18.3. unter 08123-930221. Impressionen zur Ausstellung auf Blog.bin-art.de.
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Der letzte Tag auf dem Camino Ingles. Alles ist sauber und getrocknet morgens. Rucksack packen, Stiefel und Stecken nehmen ist schon Routine. Gemischte Gefühle begleiten uns. Heute geht es ums Ankommen. Für meine Freundin ist es der erste Jakobsweg in Spanien, ihre erste Ankunft in Santiago de Compostela. Ich war schon öfter unterwegs auf Jakobswegen und auch auf langen Strecken. Und trotzdem streiten sich die Gefühle in mir. Freude, es geschafft zu haben und erneut in Santiago anzukommen. Wehmut, dass die Zeit auf dem Pilgerweg schon wieder vorüber ist.
Kurz
geht es
hinter Sigüeiro an
der Straße entlang, dann verstreute Ortschaften und Siedlungen,
gefolgt von einer erholsamen Naturlandschaft. Schließlich zeigt ein
Industriegebiet die Nähe der Großstadt an. Hier finden wir am
späten Vormittag unser
Pausencafé.
Um uns den Abschied vom Weg zu verschönern, folgt nun ein Pfad durch den „Bosque Encantado“, einen verzaubert wirkenden Wald, knorrige Bäume mit Efeu umwachsen. Viel Schweigen, Vogelgezwitscher und flatternde Gedanken begleiten uns an diesem Tag. Sonne und Wolken wechseln sich bei angenehmen Frühlingstemperaturen am galicischen Himmel ab.
Ein weiteres Industriegebiet beendet dieses Vergnügen und holt uns in die Wirklichkeit zurück. Parallel zur Nationalstraße führt die Route ins Zentrum von Santiago. Von der Kreuzung, wo es links zum Busbahnhof geht, ist mir der Weg gut bekannt und bald tauchen die Türme der Kathedrale knapp über den Dächern auf.
Die Türme der Kathedrale von Santiago de Compostela
Eine Viertelstunde weiter endet unsere Pilgerreise auf der Praza do Obradoiro vor der Westfassade der Kathedrale. Wir fallen uns in die Arme, ein unbeschreibliches Gefühl der Dankbarkeit. Später ohne Rucksäcke in der Kathedrale begrüßen wir den Apostel Jakobus, der das Ziel unserer Pilgerreise war. Für den Rest fehlen mir die Worte.
Viel unterwegs war ich auch hier in Bayern in den letzten Tagen. Einsame Spaziergänge durch das Erdinger Moos. In Gedanken „BIN (ich) auf dem Camino Ingles“ gewesen und habe mir in schönen Farben ausgemalt, wie es hätte sein können. Natürlich fehlen meiner Schilderung die besonderen persönlichen Erlebnisse, doch aktuell hätte die Reise zu diesem Zeitpunkt so gar nicht stattfinden können. Es ist so wie es ist.
Die weiteren Tage der Reise sind unten nur kurz aufgelistet, so wie es geplant war. Darüber kann vielleicht später einmal erzählt werden.
Montag, 23.3.2020 Nach der Pilgermesse mit dem Bus nach Finisterre, am Ende der Welt, mit Übernachtung.
Dienstag, 24.3.2020 Mittags Rückfahrt nach Santiago de Compostela, die Pilgerreise nochmal in der Kathedrale und in den Gassen der Altstadt ausklingen lassen.
Mittwoch, 25.3.2020 Rückflug nach München
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Auf
Pilgerwegen unterwegs zu sein, hat mein Leben verändert. Mit wenig
Gepäck gehen, unnötigen Ballast weglassen. In Bewegung zu sein und
ganz im Augenblick. Aufmerksam auf die Umgebung, die Zeichen
beachten. Genügend Zeit, um die Eindrücke des Tages, um
all das Außen in meinem Inneren
zu verarbeiten. Offenheit für die kleinen Begegnungen am Wegesrand,
mit anderen Pilgern, Einheimischen, die wissen wollen, wo man
herkommt. Im Alltag kann ich das
auf die Begegnungen in der Nachbarschaft übertragen.
Tag
5, Samstag, 21.3.2020
Gemütlich beginnt der neue Tag mit einem Frühstück in unserer Pension. Gestern im Regen wollten wir einfach nur noch ankommen und haben so den Weg ganz gut geschafft. Heute wird die Strecke fast genauso lang, aber ebener oder leicht bergab. Also Stiefel schnüren, Rucksack auf und Poncho drüber. Ja, es regnet noch etwas.
Gleich
neben dem Hotel zweigt eine kleine Straße nach Hospital de Bruma ab
und trifft sich weiter
südlich mit dem Pilgerweg. Hinter Ardemil kommen wir an einem
Künstlerhaus vorbei mit Skulpturen im Garten und einer
großen Pilgerfigur.
Allmählich merkt man die Nähe zu Santiago. Durch kleine Orte, die
kaum als solche erkennbar sind, leiten uns die Pfeile und Muscheln
nach Süden. Mamoas, Buscas, Vilariño
und endlich mal über einen
Waldweg nach Lavandeira.
In Calle finden wir ein geöffnetes
Café und gönnen uns einen
Mittagsimbiss. Bis jetzt ist es
gut gelaufen. Regenponcho an- und
ausziehen, war die heutige Übung. Jetzt hat es aufgehört zu regnen
und bald ziehen
wir
wieder los.
Erneut
sind es gut markierte Wege, die über Casanova nach Baizoia führen.
Hinter der Autobahn gibt es zwei Varianten und wir entscheiden uns, wie im Buch empfohlen für die alte Wegführung, die ein Stück entfernt von der neuen Autobahn durch den Wald führt. Der breite schnurgerade Weg war einfach verlockend und es wird mein Bild des heutigen Tages. Die Strecke zieht sich auch heute, manchmal machen wir kurz Pause, aber wenigstens regnet es nicht mehr.
Auf dem Weg nach Sigüeiro
Am
Ende der langen geraden Strecke erreichen wir Sigüeiro durch einen
kleinen Park. Eine Herberge haben wir uns ausgesucht, heute ist
nochmal Waschtag. Mit dem Trockner ist das auch bei feuchtem Wetter
kein Problem. Die Rucksackvorräte
wollen wir auch noch aufbrauchen, ein zusammengewürfeltes
Menü aus Müsli, Käse, Brot
und Trockenobst. Mit den wenigen
anderen Pilgern in der Herberge sitzen wir abends noch in der Küche
und teilen Tee und Kekse. Trotzdem sind wir früh in den Betten.
Ein wenig unruhig war die Nacht heute, mitten in der mittelalterlichen Altstadt von Betanzos: Die Geräusche anderer Pilger zu hören, die eigene Müdigkeit zu spüren und kalt war mir auch. Mit einer weiteren Schicht Kleidung und diversen Entspannungsübungen habe ich dann doch geschlafen. Ist ja nur für eine Nacht, ist mein Spruch in dieser Situation. Wir wollten es ja auch mal einfach.
Im benachbarten Café nehmen wir unser Frühstück ein, denn heute gibt es nicht viele Möglichkeiten unterwegs. Und fürs Picknick noch ein Bocadillo, ein belegtes Brot zum Mitnehmen. Auch die Strecke ist mit fast 25 km besonders lang. Also früh los und kontinuierlich laufen. Gerade ist es bedeckt und nieselig. Mal schauen, ob es später besser wird.
Hinter
dem Ort steigen wir über kleine Straßen aufwärts bis wir die
Autobahn überquert haben. Danach in ruhiger Natur ab und auf bis zur
Kapelle San Esteban de Cos, wo wir wieder auf eine Landstraße
stoßen. Kurz nach dem Ort folgen wir der neuen Wegführung an der
Straße entlang und haben Glück, denn in der kleinen Bar gibt es
einen Kaffee für uns. Neugierig werden wir beäugt von den einzelnen
Dorfbewohnern, die die Bar gerade für einen morgendlichen Ratsch
besuchen. Fragen nach woher und wohin. Kurze Gespräche, die
motivieren. Der Himmel ist jetzt trocken und ohne Poncho läuft es
sich bequemer. So gehen wir einfach durch Presedo durch, halten auch
nicht am Restaurant mit Museum, sondern folgen den Muschelzeichen bis
Leiro. Die kleine Kirche dort ist kunsthistorisch sicher nicht sehr
interessant, aber in ihrer Einfachheit verleitet sie mich zu einer
Zeichnung. Verwitterte Steine, ein Glockenturm mit zwei Glocken,
gemauerte Gruften in langen Reihen, eine alles umschließende Mauer
mit Tor. Ein friedlicher Platz, um ein wenig zu verweilen und
Picknick zu machen.
Kirche in Leiro
Mit
den ersten Regentropfen brechen wir auf, Rucksackhülle, Regenponcho,
fertig. Von hier aus geht es die nächsten Kilometer beständig
bergauf über kleine Straßen und geschotterte Waldwege. In Beche am
kleinen See können wir unsere Wasserflaschen auffüllen. Ein alter
Mann zeigt uns den versteckten Wasserhahn. Inzwischen regnet es
richtig und wir laufen schweigend dahin. Irgendwann unterqueren wir
die Autobahn, weiter bergauf. Manchmal ein kurzes Innehalten, um die
Markierung zu finden.
Die Strecke zieht sich heute, endlich sind wir oben. Weiter bis zur Kreuzung, wo der Weg von A Coruña her einmündet. Hier finden wir eine offene Bar, gut besucht von Einheimischen und Pilgern. Kurze Begrüßung, wir haben uns gestern schon in der Herberge getroffen. Die nassen Sachen werden aufgehängt. Jetzt ist es Zeit für ein spätes Mittagessen und die Bar hat auch prompt ein Tagesgericht (Plato del Dia) im Angebot: Hühnchen, Pommes, Salat, Nachspeise und dazu Wein oder Wasser. Genau das Richtige. Trocken und gestärkt nehmen wir die letzten 2,5 km in Angriff. Für heute Nacht haben wir uns eine Pension gegönnt in Mesón do Vento, wo wir freundlich empfangen werden.
Oh wie schön kann so ein einfaches Doppelzimmer sein! Die nassen Sachen ausziehen, heiß duschen und alles zum Trocknen aufhängen. Ein gemütlicher Abend.
Hier in Bayern war es heute nochmal frühlingshaft sonnig, Radfahren ist eine Freude. Das regnerische und kühlere Wetter wird wohl noch einen Tag brauchen, bis es hier ankommt. Dafür erreichen uns die Nachrichten aus Spanien mit schnellen Schritten. Es ist erschreckend, wie rasch die Corona-Pandemie um sich greift. Ausgangsbeschränkungen auch hier.
Gerade habe ich das Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry wieder gelesen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Das fließt in den heutigen Weg mit ein. Und ich brauche Farbe in meinen Zeichnungen, das hole ich heute nach.
Bei uns im Moos scheint in der Früh schon die Sonne und es verspricht ein wunderbarer Tag zu werden. Das zurückgezogene Leben spielt sich allmählich ein, so wie man auch beim Pilgern einen Anfang braucht.
Tag
3: Donnerstag, 19.3.2020
Kurz
vor acht ist heute die Sonne aufgegangen, die Bucht von Pontedeume
liegt noch im schattigen Dunst. Obwohl wir sehr müde waren gestern,
sind wir bald bereit zum Aufbruch. Langsam und Schritt für Schritt
sich aufmachen zum täglichen Ziel. Gestern waren es 15 km, heute
steigern wir uns auf 19 km.
Der Rucksack ist bald gepackt und heute haben wir gut gefrühstückt. Bald geht es auf kleinen Nebenstraßen noch ein Stück aufwärts bis Cermuzo. Von Zeit zu Zeit ein Wäldchen. Wiesen sind gesäumt von ersten Feldblumen. Auch an den Steinmauern blinzeln die ersten Blüten in die Frühlingssonne. Nach knapp einer Stunde überqueren wir die Autobahn. Durch den Wald ein kurzer steiler Anstieg nach Viadeiro. Von dort über kleine Pisten recht naturnah wieder runter zum Rio Baxoi. Ein verwirrender, aber dank Markierungen auffindbarer Pfad lenkt uns auf verschlungenen Pfaden nach Miño.
Für unsere Pilgerreise haben wir uns Zeiten des Schweigens vereinbart, denn erst in der äußeren Ruhe kann auch die innere Stille entstehen. Zeit auch für intensive Wahrnehmung, Details am Wegrand wie die Meilensteine, deren Kilometerzahl sich von mal zu mal vermindert. Erste Blumen und Blüten, Kühe, Vogelgezwitscher vermischt mit Verkehrslärm. Gut oder schlecht? Hier brauche ich keine Wertung. Was ich wahrnehme, ist wie es ist. Mit etwas Abstand schreiten wir also durch die Natur, jede hängt ihren Gedanken nach, manchmal ein kurzer Fotostopp oder Orientierung an einer Kreuzung. Mein Zuhause kommt mir in den Sinn, Familie, Freunde, Nachbarn. Sie alle begleiten mich auf dem Weg.
In
Miño
ist es Zeit
für unsere Mittagspause. Eine Bar an der Straße verlockt uns.
Frisch gepresster Orangensaft, Tortilla, Tapas
oder Pilgermenü.
Herz und
Bauch, was wollt
ihr
mehr? Hier kommt der
Geschmackssinn auf seine Kosten. Heute
probieren wir zum Nachtisch Cortado, Espresso mit gezuckerter
Kondensmilch, süß und nahrhaft.
Meilenstein mit Ausblick
Vom
Ort aus schaut man hinunter auf die Bucht. Gestärkt marschieren wir
weiter. Nach einer halben Stunde wendet
sich der Weg landeinwärts. Auf kleinen Straßen dem Rio Lambre
folgend, den wir auf einer alten Steinbrücke überqueren. Hinauf
nach Trasmil, hinunter nach Viñas,
und stetig ansteigend
weiter.
Unser nächster Stopp ist hinter Paio bei der Kirche San Martín de Tiobre. Von dort hat man eine anspornende Aussicht nach Betanzos. Wie so häufig bei Kirchen und Friedhöfen findet sich auch hier ein Wasserhahn, um die Flaschen nochmal aufzufüllen. Kleine Straßen führen hinunter zur Brücke und durch den dahinterliegenden Torbogen in die Altstadt von Betanzos.
Unsere Übernachtung ist diesmal in der Herberge geplant, gleich neben den Kirchen inmitten der Stadt. Das viele Auf und Ab war heute anstrengend. Wir freuen uns über das freie Stockbett in der Herberge. Duschen, ausruhen, etwas Wäsche waschen. Ein wenig in der Nähe der Herberge die Kirchen anschauen, Sitzbesichtigung auf der Plaza. Abends essen wir Mitgebrachtes aus dem Rucksack, damit der Ballast weniger wird.
Spät
geht die Sonne in Galicien auf, mehr als eine Stunde später als bei
uns. Wir sind ja auch nicht in Eile. So stelle ich mir das vor,
während ich wegen der Pandemie zu Hause sitze.
R eiselust O
ffenheit T
rekking E
rlebnis R uhe F
reundschaft A
nfang D emut E
rfahrung N atur
Tag 2: Mittwoch, 18.3.2020
Frühstück wird eher klein geschrieben so auf dem Land in Spanien. Also nur ein Kaffee und ein Keks und wir hoffen auf die nächste Pause in 1-2 Stunden. Nebel liegt noch über der Bucht. Ebbe und Flut sind sichtbar bis hier hinten in der Ria, an der Flussmündung.
Über
die Fußgängerbrücke in Neda kreuzen wir die Ria. Zunächst führt
uns die Markierung unten an der Bucht entlang, kreuzt die Straße,
weiter durch kleine Ansiedlungen. Als wir einen Bäcker entdecken,
ist die Zeit für ein richtiges Frühstück gekommen.
Bei Fene zieht der Weg nach oben, von rechts kommen die Pilger über die große Brücke von Ferrol. Es öffnen sich Ausblicke auf die Bucht. Steinmauern, kleine Wege durch die Felder und Eukalyptus-Wälder. Am Anfang zwickt es noch in den Gelenken, stehen bleiben, Rucksack verstellen, Jacke aus. Langsam stellt sich ein Rhythmus ein. Wir haben extra wenig Gepäck dabei, ohne Essen und Getränke nur 6 Kilo. Doch auch diese wollen getragen werden.
Bei Pereiro schlängelt sich der Weg aufwärts an der Autobahn, um einen Kreisverkehr in ein Gewerbegebiet. Dort in der Mitte ein Café für unseren Mittagsimbiss. Die Pause tut gut, denn mehr als die Hälfte der Tagesstrecke ist geschafft. Am ersten Tag geht es ums Auffinden der Markierungen, damit wir auf dem richtigen Weg bleiben. In kurzen Abständen ist der Weg mit gelben Pfeilen oder Muscheln markiert. Meine Regel lautet: Wenn mir auffällt, dass ich länger keine Markierung gesehen habe, maximal fünf Minuten weitergehen, ansonsten zurück bis zum letzten Wegzeichen.
Über Wiesen und Wälder geht der Weg die gewonnenen 180 Höhenmeter wieder bergab. Bei Cabañas kreuzen wir die Straße und wenden uns Richtung Meer. Am berühmten Strand Praia Magdalena wollen wir nochmal durch den Sand laufen, den salzigen Geruch einatmen. Die Bucht ist sehr geschützt und vom offenen Meer entfernt.
Brücke vor Pontedeume
Über eine lange Brücke mit steinernen Bögen gelangen die Pilger nach Pontedeume, dem heutigen Ziel. Häuser mit verglasten Balkonen, eine Jakobuskirche und ein alter Wehrturm schmiegen sich an den steilen Hang. Eine Spezialität wird hier im Café gleich an der Brücke angeboten, Chocolate con Churros, Schmalzgebackenes mit Heißer Schokolade. Das muss unbedingt verkostet werden. Dieser Energieschub schickt uns noch gut einen Kilometer den Hügel hinauf zu unserer Pension. Von dort können wir morgen mit frischer Kraft weitergehen. Zum Abendessen brauchen wir beide nichts mehr. Müde fallen wir auf die Betten.