Camino Ingles – eine fiktive Pilgerreise, Tag 3

Wahrnehmung mit allen Sinnen

Gerade habe ich das Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry wieder gelesen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Das fließt in den heutigen Weg mit ein. Und ich brauche Farbe in meinen Zeichnungen, das hole ich heute nach.

Bei uns im Moos scheint in der Früh schon die Sonne und es verspricht ein wunderbarer Tag zu werden. Das zurückgezogene Leben spielt sich allmählich ein, so wie man auch beim Pilgern einen Anfang braucht.

Tag 3: Donnerstag, 19.3.2020

Kurz vor acht ist heute die Sonne aufgegangen, die Bucht von Pontedeume liegt noch im schattigen Dunst. Obwohl wir sehr müde waren gestern, sind wir bald bereit zum Aufbruch. Langsam und Schritt für Schritt sich aufmachen zum täglichen Ziel. Gestern waren es 15 km, heute steigern wir uns auf 19 km.

Der Rucksack ist bald gepackt und heute haben wir gut gefrühstückt. Bald geht es auf kleinen Nebenstraßen noch ein Stück aufwärts bis Cermuzo. Von Zeit zu Zeit ein Wäldchen. Wiesen sind gesäumt von ersten Feldblumen. Auch an den Steinmauern blinzeln die ersten Blüten in die Frühlingssonne. Nach knapp einer Stunde überqueren wir die Autobahn. Durch den Wald ein kurzer steiler Anstieg nach Viadeiro. Von dort über kleine Pisten recht naturnah wieder runter zum Rio Baxoi. Ein verwirrender, aber dank Markierungen auffindbarer Pfad lenkt uns auf verschlungenen Pfaden nach Miño.

Für unsere Pilgerreise haben wir uns Zeiten des Schweigens vereinbart, denn erst in der äußeren Ruhe kann auch die innere Stille entstehen. Zeit auch für intensive Wahrnehmung, Details am Wegrand wie die Meilensteine, deren Kilometerzahl sich von mal zu mal vermindert. Erste Blumen und Blüten, Kühe, Vogelgezwitscher vermischt mit Verkehrslärm. Gut oder schlecht? Hier brauche ich keine Wertung. Was ich wahrnehme, ist wie es ist. Mit etwas Abstand schreiten wir also durch die Natur, jede hängt ihren Gedanken nach, manchmal ein kurzer Fotostopp oder Orientierung an einer Kreuzung. Mein Zuhause kommt mir in den Sinn, Familie, Freunde, Nachbarn. Sie alle begleiten mich auf dem Weg.

In Miño ist es Zeit für unsere Mittagspause. Eine Bar an der Straße verlockt uns. Frisch gepresster Orangensaft, Tortilla, Tapas oder Pilgermenü. Herz und Bauch, was wollt ihr mehr? Hier kommt der Geschmackssinn auf seine Kosten. Heute probieren wir zum Nachtisch Cortado, Espresso mit gezuckerter Kondensmilch, süß und nahrhaft.

Meilenstein mit Ausblick

Vom Ort aus schaut man hinunter auf die Bucht. Gestärkt marschieren wir weiter. Nach einer halben Stunde wendet sich der Weg landeinwärts. Auf kleinen Straßen dem Rio Lambre folgend, den wir auf einer alten Steinbrücke überqueren. Hinauf nach Trasmil, hinunter nach Viñas, und stetig ansteigend weiter.

Unser nächster Stopp ist hinter Paio bei der Kirche San Martín de Tiobre. Von dort hat man eine anspornende Aussicht nach Betanzos. Wie so häufig bei Kirchen und Friedhöfen findet sich auch hier ein Wasserhahn, um die Flaschen nochmal aufzufüllen. Kleine Straßen führen hinunter zur Brücke und durch den dahinterliegenden Torbogen in die Altstadt von Betanzos.

Unsere Übernachtung ist diesmal in der Herberge geplant, gleich neben den Kirchen inmitten der Stadt. Das viele Auf und Ab war heute anstrengend. Wir freuen uns über das freie Stockbett in der Herberge. Duschen, ausruhen, etwas Wäsche waschen. Ein wenig in der Nähe der Herberge die Kirchen anschauen, Sitzbesichtigung auf der Plaza. Abends essen wir Mitgebrachtes aus dem Rucksack, damit der Ballast weniger wird.

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