10 Tage gemeinsam auf dem Jakobsweg von 26.6.-5.7.2021
Im vergangenen Jahr konnte ich diese Reise nur fiktiv beschreiben. Nun waren meine Freundin und ich endlich persönlich auf dem Camino Ingles unterwegs. In der neuen Wirklichkeit, die der alten zwar ähnelt, sich aber mit den Masken und Hygieneregeln wegen Covid19 anders anfühlt. Erst einen Monat vor dem Abflug haben wir unsere Gutscheine für den neuen Flug umgewandelt. Einreiseformular und Impfausweis, genaue Kontrollen am Flughafen und viel weniger Betrieb als sonst. Es herrscht Maskenpflicht in Flughafen und Flugzeug und im gesamten öffentlichen Raum in Spanien. Dort haben sich erstaunlich viele Leute daran gehalten. Beim Pilgern in der freien Natur ging es dann auch ohne Maske…
Die erste Nacht verbringen wir in Santiago de Compostela, weil die Ankunft des Fluges relativ spät ist. Am nächsten Morgen gehen wir hinunter zum Bahnhof, neben dem der neue Busbahnhof gelegen ist, und nehmen den Bus nach Ferrol. Es ist kühl für Ende Juni, aber die Sonne scheint. Das kleine Städtchen blinzelt schläfrig nach der regnerischen Nacht. Am Hafen zeigt der erste Meilenstein, wo der Camino Ingles beginnt. Nach einem zweiten Frühstück wenden wir uns nach Osten. Die Puerta de Dique habe ich schon gezeichnet. Den Turm und Eingang zum Marinehafen in Natura zu sehen, kommt mir in diesem Augenblick eigenartig vor.
In Neda, am Ende der Bucht von Ferrol, wartet eine Bank auf Besucher. Gerade kommt langsam die Flut herein und füllt den breiten offenen Sandkanal. Zeit zu beobachten wie die Vögel im Schlick picken und wie eine Sandinsel langsam in den silbrigen kleinen Wellen versinkt. Wir brauchen durchaus die Jacken gegen den Wind, aber es ist wunderbar, zuzuschauen wie das wechselnde Licht die Landschaft verändert. Schließlich schlendern wir zur hintersten Brücke, zu einer alten Mühle an der Flussmündung. Durch die Gezeiten sind in Jahrtausenden die breiten Rias ausgeschwemmt worden, wie die langen Einschnitte ins Land hier heißen.
Draußen ist es morgens grau, das Wasser steht noch in der Bucht. Es tröpfelt, beginnt stärker zu regnen, aber wir kennen den Weg von gestern Abend. Also Poncho drüber und guten Mutes los. Über Holzstege geht es am Ufer entlang. Später bergauf und auf halber Höhe weiter. Danach öffnen sich die Wolken und geben einen herrlichen Blick über die Bucht bis Ferrol frei. Palmen und Hortensien, Bougainvillen und Mombrezien zieren die Gärten und Wegränder. Fene und Pereiro, Regen und Sonne, Auf und Ab. Eine lange steinerne Brücke mit Bögen führt über eine weitere Ria nach Pontedeume. Weiter geht es hinauf mit wunderbarem Ausblick bis zur Pension.
Heute ist laufen, laufen und laufen angesagt. Der Jakobsweg führt über wunderschöne Waldwege, gesäumt von dichtbelaubten Bäume, Steineichen, Esskastanien, Platanen, Akazien. Nach der Autobahn geht es richtig steil bergauf und wieder steil bergab nach Miño, Zeit für Tortilla und eine Pause. Bei der Kirche San Martin de Tiobre pausieren wir noch einmal und weiter gehts bergab nach Betanzos, wir queren Brücke und Stadttor. Betanzos selbst ist auch hügelig. Vom Hauptplatz müssen wir rauf zum Hotel. Auf der Suche nach Essen durch eine Stadt, die um 17 Uhr noch der Siesta frönt, landen wir am Hauptplatz. Glück gehabt, es gibt Tapas in der Bar. Hühnchen, Pommes und Salat, dann noch Pulpo und dazu jede 2 Clara con limon (Radler). Ohne das Nachtleben weiter zu erkunden, landen wir bald in den Betten.
Eukalyptuswälder säumen die kleinen Felder und Wege. Eukalyptus in jeder Form begleitet unseren Weg. Ganz jung mit runden blau-silbrigen Blättern und kleinen fusseligen Blüten. Der schnell wachsende Eukalyptus streckt seine Blätter dann zu Lanzen, später ist die fasrige und fransige Rinde ein Hingucker. Wir finden die kantigen Kapseln und trockenen Blätter und fotografieren sie. Am Lago de Beche, einem kleinen Stausee, gönnen wir uns ein Eis und dann unser Picknick. Weiter bergauf, nichts Neues. Es zieht sich bis wir ganz oben und schließlich hinter Meson do Vento im Hotel sind. Trotz Müdigkeit folgt noch eine Abendrunde zur Kirche von Leira, schöne Atmosphäre auf dem Friedhof, einige Gräber sind mit Muscheln verziert.
Nebelig ist es morgens bei 12 Grad. Kunstvolle Spinnweben hängen taubedeckt an den Zäunen. Nur mit Fleecejacke sind wir gerade richtig angezogen. Viele kürzere Waldstücke mit Zauberwald, Steineichen mit Efeu bewachsen und Erdwälle lassen an die Geschichten von Mittelerde und den Herrn der Ringe denken. Mittags wird es immer heißer und der Weg sehr sonnig. Der Park vor Sigüeiro rettet uns. Einfach im Schatten auf einer Bank sitzen und die letzten Tropfen aus den Flaschen saugen. Kurz darauf im kühlen Supermarkt kaufen wir Obst, Joghurt und Gebäck sowie Wasser. In unserer Pension wartet ein wunderschön dekoriertes Zimmer mit einem entzückenden Bad. Nach dem Duschen können wir eine Ladung Wäsche waschen und anschließend trocknen.
Auf zum Ziel unseres Pilgerweges! Heute spüre ich große Dankbarkeit und Freude über diese Reise, für mein Hier-Sein. Mehr brauche ich nicht. Ab und zu sprüht ein wenig Regen, Poncho an und aus, 3-4x. Wir laufen nach Santiago de Compostela ein, ein letzter Stempel in San Caetano. Auf der Praza do Obradoiro ist der Weg beendet. Da heute gerade niemand an der Heiligen Pforte Schlange steht, können wir abwechselnd unseren persönlichen Abschluss in der Kathedrale begehen.
Ich „BIN auf dem Camino Ingles“ gewesen.